Du willst Schauspieler:in werden?
Viele Menschen glauben, dass Schauspielerei gar kein richtiger Beruf ist. Man macht das mal so, probiert sich aus, ob man Talent hat und ob vielleicht so nebenbei der große Durchbruch kommt, bevor man sich dann entschließt etwas „Richtiges“ zu erlernen. Dabei ist Schauspiel so viel komplexer und anspruchsvoller. Die meisten Menschen unterschätzen den Beruf kolossal. Und fragt man bekannte und erfolgreiche Schauspieler, ob sie diesen Weg erneut gehen würden, verneinen sie abrupt.
Die Ernsthaftigkeit des Berufes ist vielen Menschen nicht bewusst. Man sieht den Gipfel aber nicht, wie mühsam der Aufstieg dort hin ist.
Den Beruf des Schauspielers gibt es seit ca. 2500 Jahren. Bis Ende des 19. Jahrhunderts wurde Schauspielerei mehr geächtet als Prostitution. Als Schauspieler:in wurde man früher mit Zigeunern und Vagabunden in einen Topf geworfen. Einige „Hof-Schauspieler“ wurden sogar wie wertvolle, edle Tiere gehalten. Lügen und Schauspiel liegt ja auch ganz nah beieinander. Und je „magischer“ und „authentischer“ eine Figur dargestellt wird umso mehr Angst hatten die Menschen vor ihr. Im europäischen Sprachgebrauch ist „schauspielern“ auch immer noch ein negativ besetzter Begriff, so wie lügen. Aber genau das soll im „wahrhaften-Spiel“ erreicht werden. Ein:e Schauspieler:in ist ein Lügner, der seiner eigenen Lüge glaubt.
Als Schauspieler:in ist man mutiger als die meisten Menschen.
Aber warum ist der Beruf des Schauspielers so schwer? Das sieht ja alles nicht nach harter Arbeit aus. Ist es aber. Physisch und Psychisch. Der Job ist unbeständig, man hat keine Sicherheiten, man muss flexibel sein, vielleicht öfter den Standort wechseln und schnell abrufbar sein. Die Karriere hat meist oberste Priorität, Familienplanung ist fast unmöglich. Man braucht viel Mut und starke Selbstdisziplin. Beharrlichkeit und eine gigantische Portion Selbstvertrauen. Man muss komplett durchlässig und emotional sein, sich aber zugleich abgrenzen und schützen lernen. Mit Erniedrigungen, häufiger Ablehnung, beispielsweise bei Castings und Kritik umgehen können. Und man muss auch immer wieder die Bereitschaft haben, über seine eigenen Grenzen zu gehen und seine größten Hemmschwellen zu überwinden. Man muss nicht nur schnell Text lernen können, sondern oft komplette Theaterstücke im Kopf behalten können, seitenlange Monologe lernen, die überhaupt keinen Sinn ergeben. Mit Menschen ganz intim und nah sein, die man nicht leiden kann, nur um eine Illusion für Andere zu erzeugen.
Wenn man bereit ist, all dies auf sich zu nehmen, wird man auch belohnt. Man hat die Möglichkeit unendlich viele neue Dinge zu lernen. Konsequenzlos in andere Charaktere zu schlüpfen. Ausprobieren, wie man sich als historische Figur, Terrorist oder Extremsportler fühlt. Man kann mental wachsen und wird auch noch dafür bezahlt. Schauspielerei ist ein Lifetime-Engagement, man muss sich unentwegt weiterbilden und in Form halten, wie ein Sportler. Wenn Schauspieler gesucht werden, dann setzt man eine Ausbildung voraus. Als Komparse, Statist oder Kleindarsteller kann sich jeder ausprobieren.
Einer der Grundbausteine beim Schauspiel ist TALENT. Das würde man aber auch bei jedem/jedem Fußballer:in oder Klavierspieler:in sagen. Die Technik kann man verfeinern, aber ein Grundtalent ist notwendig.
Warum blamieren sich manchmal Leute bei Castingshows, wie DSDS. Wieso können wir darüber lachen, wenn Kandidaten voller Inbrunst singen, auch wenn sie die Töne nicht treffen oder den Rhythmus nicht halten können? Wir fragen uns, wieso merken sie nicht, dass sie kein Talent dafür haben? Das wiederum hat mit der Selbstwahrnehmung und der Fremdwahrnehmung zu tun. Diese liegt bei den meisten Menschen weit auseinander. Dazu werden wir auch erzogen. Wir tragen eine gesellschaftliche Maske, die wir uns alle zum Schutz auferlegt haben. Als Schauspieler hörst Du nie auf, an Deiner Außen – und Innenwahrnehmung zu arbeiten, um diese möglichst nah zusammenzubringen. Wie der Medien-Coach Wolfgang Wimmer sagt: „Schauspielen gibt Dir NICHT die Möglichkeit, jemand anderes zu sein, sondern in jeder Deiner Figuren ein bisschen näher an dich selbst ranzukommen“, also sich besser kennenzulernen.
Ein weiterer Baustein für die Schauspielkarriere ist FANTASIE.
Auch hier ist eine gewisse Portion Grundvoraussetzung notwendig, aber mit Übungen und Training kann man diese erwecken und ausbauen. Aufmerksamkeit, Bewusstsein und Imagination sollten regelmäßig trainiert werden. Hier können Audiosuggestives Training oder Meditation helfen. Viele Menschen wünschen sich ein Leben wie ein Hollywoodstar. Große Villen, fette Jachten, tolle Partys und ein Leben in Saus und Braus, trotzdem anspruchsvolle Filme und Serien drehen. Die Realität sieht jedoch so aus, dass mehr als 80% der Schauspieler nicht von ihrem Beruf leben können. Sie machen oft mehrere Jobs nebenbei, um ihren Lebensunterhalt zu finanzieren. Also wenn es eine Alternative gibt, würde ich immer dazu raten, die Alternative zu wählen.
Wenn Du als Schauspieler:in einen Plan B hast, solltest Du dein Plan B machen.
Bo Rosenmüller
Coach, Creative Producerin, Ex-Casting Direktorin