Kunst vs. Kommerz –
Talente im Zwiespalt
"Das Geld geht, die Schande bleibt". Dieses Zitat stammt von Hildegard Knef, die sich damit auf einen Film bezieht, in dem sie selbst mitgespielt hat, wissentlich, dass die wirtschaftlichen Argumente stärker waren als die künstlerischen.
“Ich habe viele Filme gemacht für viel Geld und stets gehofft, dass sie gut sind. Bei diesem Film habe ich keine Ausrede. Ich wusste, der ist Mist. Aber wenn sie eine sechsstellige Dollar-Summe für sieben Drehtage sehen, dann können sie nicht einfach nein sagen…”
(Film: La Casa 4 -Witchcraft)
Auf der Green Actors Lounge in Berlin hatte ich die Möglichkeit genau über dieses Thema diskutieren mit Kreativen vor- und hinter der Kamera. Connie Walther (Regisseurin), Nancy Julius (COO von We Are Era), Tom Lass (Regisseur und Schauspieler) und Milan Peschel (Schauspieler).
In einer idealen Welt würden alle Kreativen nur in Projekten mitwirken, die sie auch selbst sehen würden. Wie wir alle wissen, ist das nicht immer der Fall. Wie geht man also mit diesem Konflikt um?
Regisseurin Connie Walther hat dazu eine sehr klare Haltung: „Sich schämen heißt psychologisch falsch zu sein. Und wenn man sich Falsch fühlt, hat man keinen Platz für sich“. Sie appelliert damit, eine gute Psychohygiene zu betreiben. Wir alle wollen Resonanz, wollen gesehen und wahrgenommen werden. Und wir wollen dabei natürlich noch in möglichst guten Projekten mitwirken. Aber genau da liegt schon die erste Aufgabe: Welche Projekte empfindet man als „gut“, und welche Projekte als fragwürdig? Welche fördern die Bekanntheit oder die künstlerischen Ambitionen und welche Projekte zeigen möglicherweise ganz neue Facetten als Künstler:in.
Nicht unerheblich ist ja sicher auch, dass ein:e Schauspieler:in nie die Kontrolle über das Gesamtresultat hat. Auf den Schnitt, die Kamera das Marketing und allen anderen Abteilungen von denen letztlich die Qualität eines Projektes abhängt, hat ein:e Künstler:in keinen Einfluss. Aber man hat Einfluss auf die eigene Rolle, auf die Qualität der eigenen Darstellung. Vielleicht gelingt es, in einem eher schwachen Film eine herausragende Performance abzuliefern? Auch so sind schon große Karrieren gestartet.
Milan Peschel sagt: “Wir sollten alle viel mehr ausprobieren und in viel mehr unterschiedliche Genre reingehen, damit sich die Grenzen aufheben und alles besser fließt”. Das bedeutet auch, sich nicht zu sehr an vorgefertigten Kategorisierungen und Meinungen zu orientieren und seine eigenen Erfahrungen zu sammeln. Entscheidend ist dabei der eigene, innere Kompass. Daher sollte jede Künstlerin und jeder Künstler seine ganz persönlichen Werte herausfinden und bestimmen. „Wo will ich hin? – Was ist mein Ziel?- Wie sehe ich mich?“ Wenn man als Schauspieler:in Projekte gegen jede künstlerische Überzeugung annimmt, schädigt man sich selbst. Die Verletzung übersteigt mit großer Wahrscheinlichkeit jeder monetären Belohnung und bringt ohnehin keinen signifikanten Schritt in die gewünschte Richtung.
Und auch Nancy Julius bestätigt: “Es geht immer um eine bewusste Entscheidung. Mutig sein, sich trauen und letztlich hinter der Entscheidung stehen.” Und trotzdem weiß jede:r Künstler:in , dass neben dem eigenen künstlerischen Anspruch auch die Miete bezahlt und der Kühlschrank gefüllt werden muss. Diese Balance zu finden, mögliche Kompromisse mit den eigenen Überzeugungen im Einklang zu halten, sind eine Herausforderung, eine grundsätzliche und individuelle Aufgabe jedes Künstlers.
Wir alle wollen anderen Menschen gefallen aber vergessen manchmal dabei auf die eigenen wahren Werte zu achten.
In jedem Fall ist ein langer Atem unentbehrlich. Durststrecken wollen ausgehalten und überwunden werden, ohne sich zu verbiegen, um an Jobs zu kommen. Auch deshalb würde Tom Lass allen, die sich zur Schauspielerei einen alternativen Beruf vorstellen können, raten, sich für die Alternative zu entscheiden. Denn auch und vor allem in diesem Beruf mag es Phasen geben, die man nur durchhält, wenn man keine Alternative hat. Das Problem ist, sagt Lass, „dass der Traum der Schauspielerei nie platzt, sondern verschimmelt, ganz langsam.“ Dem hält Conny Walter entgegen : „Erfolg wird überbewertet in unserer Gesellschaft. Was macht mich persönlich glücklich? Worum geht es unterm Strich? Es geht doch um Freiheit, spielen und machen zu können, was man will. Um Selbstbestimmtheit.“
Doch seinen wir mal ehrlich: Nie waren die Möglichkeiten der selbstbestimmten Präsenz größer. Viele Dinge lassen sich heute wunderbar miteinander verbinden, was sicherlich die Schwierigkeit der Selektion und Priorisierung mit sich zieht. Umso wichtiger ist es, sich der eigenen Talente und Fähigkeiten klar zu sein und Entscheidungen bewusst zu fällen.
Bo Rosenmüller (Coach, Artist Relations Manager)

Connie Walther, noch bevor sie Regie an der DFFB studiert hat, war sie als Beleuchterin, Regie- und Produktionsassistentin beim Film. Viele, viele Auszeichnungen, Preise hat sie im laufe der letzten 20 Jahre bekommen. Leichte Komödien liegen ihr ebenso wie schwere Dramen mit hyperaktiven Schulkindern oder toxischer Männlichkeit. Seit Jahren engagiert sie sich für „Grünes Drehen“. Ihr letzter Film „Rüden“ ist eine Art Psychostudie mit aggressiven Hunden und Straftätern.


Tom Lass, war schon im Teenageralter als Schauspieler vor der Kamera. Bis heute in über 70 Produktionen. Dann das erste Regiedebut vor mehr als 10 Jahren, ein improvisierter low-budget Spielfilm “PAPA GOLD”. Es folgten weitere, bei denen er neben Regie auch Autor, Produzent, Editor und Hauptdarsteller war. Seine Projekte bezeichnet er selbst als „Absichtliches Zufallsprodukt“. Eines seiner letzten Projekte war die Instagram-Serie “Ich bin Sophie Scholl” mit Luna Wedler in der Hauptrolle. Außerdem leitet er noch regelmäßig Impovisationsgruppen.
Milan Peschel, ursprünglich gelernter Theatertischler, hat als Bühnentechniker an der Volksbühne gearbeitet, bevor er Schauspiel auf der Schauspielschule “Ernst Busch” studiert hat. Dem Theater ist er auch noch sehr treu, nicht nur als Schauspieler, sondern auch als Theaterregisseur. Mit dem Film „Halt auf freier Strecke“ hast Du viel Aufmerksamkeit und viele Preise bekommen. Kurz darauf öffnete er sich mit Mainstreamingen Produktionen unter der Regie von Matthias Schweighöfer und Til Schweiger auch einem breiten Publikum. Ausserdem ist er ein hervorragender Maler und Karikaturist.
